Uhu - die Wiederansiedelung der großen Eule

im Weserbergland

von Albrecht Jacobs

Die nachfolgende Kurzfassung der durch Albrecht Jacobs, Stadtoldendorf, durchgeführten Maßnahmen zum Uhuschutz zwischen 1968 und 1990 beschreibt erfolgreichen Eulenschutz.


Ohne diese Schutzmaßnahmen des NABU- Gründungsmitglieds wäre der Uhu im Weserbergland endgültig ausgestorben.

“Schon in meinen Jugendjahren entwickelte ich ein reges Interesse an der Vogelwelt. Ich baute Nistkästen, hängte sie auf und kontrollierte sie regelmäßig. Damit vertiefte ich meine Kenntnisse. Meine besondere Aufmerksamkeit galt jedoch den Eulen.

Der dänische Dichter Svend Fleuron schilderte in seinem Buch „Strix – Geschichte eines Uhus“ das dramatische Geschehen um die Ausrottung des Uhus in Dänemark. Als ich dieses Buch las, war ich fasziniert. Auch im Weserbergland wird sich vor über hundert Jahren Vergleichbares abgespielt haben, als der Uhu als ungeliebter Räuber und Jagdkonkurrent des Menschen gnadenlos verfolgt und schließlich ganz ausgerottet wurde.

 

Auslöser für meine Uhu-Aktivitäten war jedoch ein milder Vorfrühlingsabend im Jahre 1968. In der Nähe eines großen Felsens im Wesertal hatte man jeweils in der frühen Abenddämmerung einen unbekannten Vogel rufen hören. Mein Freund Peter Rossmann und ich bezogen an besagtem Vorfrühlingsabend im Wesertal Stellung und warteten am Rande eines Friedhofs, den Felsen im Blick, mit großer Spannung auf den geheimnisvollen Vogelruf. Mit Einbruch der Dämmerung ertönte tatsächlich ein dumpfes „Buuh – huh“ aus Richtung des Felsens.

Zu dieser Zeit ahnte ich nicht, dass dieses Ereignis meinen Lebenslauf für die nächsten Jahrzehnte wesentlich beeinflussen sollte. Den gehörten Ruf verglichen wir mit der Aufnahme auf einer Schallplatte mit Vogelstimmen und da hatten wir den Beweis: Es gab einen männlichen Uhu im Wesertal!

 

In Fachzeitschriften hatte ich über Herrn von Frankenberg gelesen, einen Messerfabrikanten aus Solingen, der Versuche zur Wiederansiedelung des Uhus begonnen hatte. Ich schrieb Herrn von Frankenberg und nachdem ich versichert hatte, dass ich als Heiratsvermittler fungieren würde, besorgte er mir ein Uhuweibchen aus dem Kölner Zoo. An einer Scheune in der Nähe des freilebenden Uhus bauten wir eine kleine Außenvoliere, in die wir das Weibchen setzten und aus der es freien Blick zum großen Felsen hatte. Schon in der darauffolgenden Nacht nahmen die Vögel regen Rufkontakt auf. Per Express hatte mir Herr von Frankenberg einige Kisten mit lebenden weißen Ratten geschickt, denn das Uhuweibchen musste ja gefüttert werden und darüber hinaus auf das Schlagen lebender Beute vorbereitet werden.

 

Nach zwei Wochen der Umgewöhnung konnte ich riskieren, das Weibchen in die Freiheit zu entlassen. Alles verlief reibungslos und ich genoss beim abendlichen Balzkonzert des nunmehr vereinten Uhupaares den Überschwang der Gefühle. Die jähe Ernüchterung erfolgte schon bald. Bei dem Versuch, ein überfahrenes Kleintier von der Straße aufzunehmen, wurde das Weibchen von einem Kfz erfasst und getötet.

 

Wenige Tage später wurde auch das Uhumännchen tot aufgefunden. Es war einer Rattenvergiftungsmaßnahme zum Opfer gefallen. Durch den vorhandenen Ring konnte nachgewiesen werden, dass dieses Tier 1967 durch Herrn von Frankenberg im Raum Nienburg freigelassen worden war. Diesen herben Rückschlag musste ich erst einmal verdauen.

In Gesprächen mit meinen Freunden kamen wir zu der Überzeugung, dass wir nur dann Erfolg haben könnten, wenn wir unsere Aktivitäten straff organisieren und eine Uhuzucht aufbauen würden. Herr von Frankenberg sagte seine Unterstützung zu, und 1970 begannen wir, auf dem Gutshof von Campe in Stadtoldendorf eine Voliere zu bauen, die dann mit dem ersten Uhupaar besetzt wurde.


Da ich meine Uhus natürlich auch füttern musste, stand ich schon vor dem nächsten Problem: Ich baute also eine Ratten- und Meerschweinchenzucht auf, um immer genügend lebende Futtertiere zur Verfügung zu haben.

Gleichzeitig nahm ich mit anderen Uhuhaltern, z.B. dem Saupark Springe, Kontakt auf. Es sollten ja schließlich weitere Zuchtpaare gebildet werden. Im gleichen Jahr besuchte ich Herrn Zahn in Bayern, den wohl damals besten Uhukenner. Herr Zahn vermittelte mir wesentliche Grundkenntnisse über die Lebensansprüche des Uhus.

Bereits 1971 stellte sich in meiner Voliere mit drei Junguhus der erste Zuchterfolg ein. Im Frühherbst des gleichen Jahres konnte ich die ersten zehn Jungtiere, mit Ring der Vogelwarte Helgoland versehen, im Weserbergland auswildern. Hierbei handelte es sich sowohl um selbstgezüchtete Tiere als auch um Nachzuchten aus Tierparks.

 

1972 konnte mit tatkräftiger Unterstützung von Freunden die zweite Zuchtvoliere und eine dritte zur Vorbereitung der Jungtiere auf das Schlagen lebender Beute gebaut werden. In diesem Jahr konnte ich weitere neun Jungtiere in nahrungsreichen Landschaftsbereichen des Weserberglandes freilassen. Dabei wurden die Uhus aus großen Kartons in die Freiheit entlassen. Diese Methode hat sich über Jahre als die effektivste erwiesen.

 

1973 erreichten mich die ersten Rückmeldungen über von mir beringte, inzwischen tot aufgefundene Uhus. Daher kann ich die Aussage machen, dass diese Vögel wegen fehlender Rufkontakte zu Artgenossen bis zu 300 km gewandert waren. Es war also klar, dass nur eine verstärkte Auswilderung, die einen dichteren Besatz zur Folge hätte, zum Erfolg führen konnte. In diesem Jahr wurde auch die erste erfolgreiche Brut eines in freier Wildbahn am Harzrand lebenden Uhupaares gemeldet. Der männliche Vogel dieses Paares war 1971 von mir im Weserbergland freigelassen worden (belegt durch beringten Totfund 1974). Im Jahre 1973 konnten insgesamt 15 Uhus im Weserbergland freigelassen werden.

 

Aus den Rückmeldungen über tot aufgefundene, beringte Tiere bis 1976 kennen wir die Haupttodesursachen: Überfahren durch Kfz oder Eisenbahn, Stromtod an Mittelspannungs-Freileitungsmasten mit z. B. stehenden Isolatoren, Drahtopfer, Vergiftung und – man mag es kaum glauben – Abschuss! (Nachgewiesen bei Witzenhausen und Springe). Durch Gespräche mit Energieversorgern konnte ich erreichen, dass die Strommasten gesichert wurden. Um die Todesrate auszugleichen, steigerten wir die Anzahl der freigelassenen Vögel auf 29 im Jahre 1976.

Um die Wiederansiedelung zu überwachen und einzeln vorkommende Uhus zu verpaaren, war ein enormer Zeitaufwand erforderlich. Im Jahr legte ich durchschnittlich 10 000 km zurück. Dies war erforderlich, um gezielt arbeiten zu können. Es musste mit Steinbruchbesitzern verhandelt werden, die letztendlich zustimmen mussten, wenn in einem ihrer Brüche geeignete Brutnischen angelegt werden sollten. In Ermangelung von Naturfelsen werden Steinbrüche von Uhus gern besiedelt. Nach neun Jahren intensiver Arbeit stellte sich 1977 der erste Bruterfolg eines freilebenden Uhupaares im Weserbergland ein.

Eine Dame unternahm mit ihrem Hund einen Spaziergang und durchquerte dabei einen Steinbruch. Plötzlich wurde der Hund von einen „großen Vogel“ angegriffen. Diese Luftattacken veranlassten die Frau, samt Hund fluchtartig den Steinbruch zu verlassen und dem Jagdpächter von dem vermutlich „tollwütigen“ Vogel zu berichten. Dieser rief mich an und wir vereinbarten eine gemeinsame Besichtigung des „Schlachtfeldes“. Nach längerem Suchen entdeckten wir drei kräftige Junguhus in einer Nistmulde, die es zu verteidigen galt.

 

Anschließend wendeten wir hier mit Unterstützung des Jagdpächters die „Adoptionsmethode“ zur Auswilderung von Jungvögeln an. Dabei wird ein gleichaltriger Jungvogel aus Volierenzucht in die Brutnische zu den freigeborenen Junguhus gesetzt. Um den Eltern die Aufzucht der nunmehr vergrößerten Familie zu erleichtern, halfen wir, indem wir mit toten Ratten die Speisekammer auffüllten.

 

1978 konnten wir durch ein drittes Zuchtpaar die Eigennachzucht ergänzen. Bis 1987, als ich aufhörte selbst zu züchten, wurden in Stadtoldendorf 79 Uhus geboren und in Freiheit entlassen.

 

In diesem Zeitraum konnte ich eine weitere, allerdings sehr aufwändige Auswilderungsmethode ausprobieren: Am Rande eines riesigen Steinbruchs errichtete ich mit Freunden eine große Voliere, in die wir ein Brutpaar setzten. Dieses brütete erfolgreich auf dem Boden der Voliere, sozusagen mitten im Wald. Allerdings biss ein Marder den zur Sicherung gezogenen kleinmaschigen Draht durch und zog dem sitzenden Weibchen die Jungen sozusagen unter dem Hintern weg. In solchen Momenten kommen auch einem engagierten Tierschützer Mordgelüste in den Sinn! Wir konnten den Verlust ausgleichen, indem wir dem Weibchen innerhalb kürzester Zeit ein Jungtier aus meiner Zucht unterschoben, das auch ohne Schwierigkeiten angenommen wurde.

 

Nach dem Flüggewerden öffneten wir die Voliere und ließen die ganze Familie frei. In der Übergangszeit halfen wir noch mit lebenden Ratten bei der Fütterung, um den Weg in die Freiheit zu erleichtern. Diese Methode erwies sich als zu aufwändig. Die tägliche An- und Abfahrt von jeweils 50 km für die Versorgung war auf Dauer nicht durchführbar.

 

Ab 1990 habe ich keine Uhus mehr freigelassen. Insgesamt habe ich 409 Uhus ausgewildert. Diese haben sich, soweit sie überlebt haben, über ein riesiges Gebiet verteilt.

 

Durch Zusammenarbeit mit der Industrie konnten wirkungsvolle Schutzmaßnahmen zur Sicherung von Strommasten entwickelt werden, so dass die Todesursache „Stromtod“ in dieser Region gegen Null geht. Eine Vielzahl weiterer Schutzmaßnahmen, wie das Anlegen sicherer Brutplätze, teilweise in Zusammenarbeit mit dem THW, Steinbruchbesitzern und Revierinhabern, führte letztendlich zu einem hoffentlich bleibenden Erfolg.

 

Ca. 15 Uhupaare brüteten in den letzten Jahren mehr oder weniger erfolgreich im Weserbergland. Zunehmende Freizeitaktivitäten des Menschen gefährden nach wie vor den Bestand.

 

Das bisher Erreichte war ein Kraftakt, unter dem besonders meine Familie gelegentlich zu leiden hatte. Ich danke ihr für ihr Verständnis und ihre Hilfe.

 

Die Unterstützung einer Vielzahl von Freunden, Tierparks und Uhuzüchtern sowie die Aktivitäten benachbarter Uhuschützer in NRW-Ost, Nordhessen und Ostniedersachsen, stellvertretend seien hier Wilhelm Bergerhausen, Peter Mannes und der Saupark Springe genannt, haben wesentlich zum Erfolg der gesamten Wiedereinbürgerung der großen Eule beigetragen. Ihnen allen gilt mein Dank.”

 

Text und Fotos: Albrecht Jacobs
Mitglied im DBV / NABU seit 1963