Grünland und artenreiche Wiesen sowie Gewässerrandstreifen werden besser geschützt, der Pestizideinsatz in wichtigen Naturbereichen wird verboten, der Wiesenvogelschutz wird ausgeweitet, heimische Baumarten gefördert und der Anteil des Ökolandbaus gesteigert: Diese und weitere Eckpunkte für besseren Tier- und Pflanzenschutz in Niedersachsen hat das niedersächsische Parlament heute beschlossen und gesetzlich verankert.
Der Initiator*innenkreis des Volksbegehrens Artenvielfalt.Jetzt! begrüßt die Landtagsbeschlüsse und sagt:
„Ohne das Volksbegehren hätte es den Niedersächsischen Weg und die heutigen Beschlüsse nie gegeben. Erst das Volksbegehren hat die Landesregierung zum Handeln gebracht. Das ist ein guter Tag für den Naturschutz und ein großer Erfolg für das Volksbegehren! Wir werden deshalb die Zulassung für die zweite Runde nicht beantragen und das Volksbegehren damit einstellen“, sagt Initiator und Grünen-Landesvorsitzender Hanso Janßen. „Dank des Volksbegehrens gibt es jetzt verbindliche Gesetze und verbindliche Zusagen für wirksame Förderprogramme und Verordnungen. Es ist ein großer Schritt, dass die Landwirtschaft diese verbindlichen rechtlichen Regelungen jetzt ausdrücklich mitträgt, nachdem sie anfänglich ausschließlich auf freiwillige Vereinbarungen gesetzt hat.“
„Insgesamt haben wir 162.530 gültige Unterschriften vorgelegt – damit konnten wir die Zustimmung seit Anfang September fast verdoppeln. Diese Unterschriften sind
ein wichtiges Signal, dass immer mehr Menschen den dringenden Handlungsbedarf beim Artenschutz sehen. Wir danken deshalb allen, die für das Volksbegehren vor Ort engagiert Unterschriften
gesammelt haben genauso wie allen, die mit ihrer Unterschrift das Volksbegehren unterstützt haben!“, sagt Initiatorin und Grünen-Landesvorsitzende Anne Kura.
„Dem Volksbegehren mit seinen mehr als 220 Bündnispartnern ist es zu verdanken, dass die Landesregierung mit den Landwirtschafts- und Umweltverbänden in den Dialog getreten und den Niedersächsischen Weg gestartet hat. Mit den jetzt beschlossenen Gesetzen sind wir einen bedeutenden Schritt vorangekommen. Künftig werden Kiebitz und Rebhuhn, Libellen und Schmetterlinge sowie auch Amphibien und Säugetiere von dem besseren Schutz ihrer Lebensräume und Biotopverbünde profitieren“, sagt Dr. Nick Büscher, Initiator und 1. stellvertretender NABU-Vorsitzender.
Der Landesvorsitzende des NABU und ebenfalls Initiator Dr. Holger Buschmann ergänzt: „Wir werden auch als Bündnis den Niedersächsischen Weg weiter intensiv
begleiten. Es wird jetzt auf die Umsetzung der Gesetze, der vereinbarten Förderprogramme und Verordnungen ankommen, denn vor Ort wird sich zeigen, ob der Artenschwund gestoppt werden kann.
Allerdings ist klar, dass wir beim Kampf gegen das Artensterben erst ganz am Anfang stehen. Nicht nur auf Landes-, sondern insbesondere auf Bundes- und EU-Ebene müssen jetzt entsprechende
Schritte folgen. Es wird aber auch deutlich, dass die Landesregierung weiterhin nicht aus eigenem Antrieb am Artenschutz interessiert ist. Während man die Erfolge des Niedersächsischen Weges
zelebriert, sprechen sich die Regierungsfraktionen für den generellen Abschuss von Wölfen aus. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um Problemtiere handelt oder nicht. Auch die
Jagdzeitenverordnung für Gänse enthält im aktuellen Entwurf eine neue Jagdzeit für die Nonnengans, die europarechtlich aufgrund ihres Schutzes gar keine Jagdzeit bekommen darf, und eine für die
Blässgans, die der akut vom Aussterben bedrohten Zwerggans zum Verwechseln ähnlich sieht. Der Arbeitskreis Gänsemanagement aus Vertretern der Landwirtschaft, der Jagd- und Umweltverbänden wurde
zuvor extra von der Landregierung einberufen und hat in umfangreichen wissenschaftlichen Studien belegen können, dass eine Jagd auf Gänse keinen positiven Einfluss auf landwirtschaftliche
Fraßschäden von Gänsen hat.“
„Wichtig ist: Wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen. Das Insekten- und Artensterben ist nach wie vor dramatisch und nicht mit dem heutigen Tag beendet“, sagt Initiator Klaus Ahrens, der zugleich Vizevorsitzender des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes ist. „Dennoch ist – auf Druck des Volksbegehrens – ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Jetzt kommt es darauf an, dass auch die Förderprogramme und Verordnungen im Sinne des Naturschutzes umgesetzt werden. Wir werden der Regierung sehr genau auf die Finger schauen, damit die finanziellen Zusagen eingehalten und wirksame Programme zum Beispiel für den Wiesenvogel- und Insektenschutz tatsächlich umgesetzt werden. Es braucht auf allen Ebenen eine Agrarpolitik, die Natur- und Artenschutz ebenso im Blick hat wie eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft – denn Zukunft hat nur das, was unsere Lebensgrundlagen erhält – auch für kommende Generationen.“
Hintergrund:
Als Initiatorin und Initiatoren haben das Volksbegehren Artenvielfalt.Jetzt! gestartet und unterschrieben: Klaus Ahrens, Vizepräsident des Deutschen Berufs- und
Erwerbs-Imkerbundes, Dr. Nick Büscher und Dr. Holger Buschmann vom NABU sowie Hans-Joachim Janßen und Anne Kura von den niedersächsischen GRÜNEN.
Weitere über 224
Bündnispartner haben das Volksbegehren unterstützt. Eine Übersicht finden Sie hier: https://www.artenvielfalt-niedersachsen.jetzt/buendnis/
Mehr Informationen
- zum Volksbegehren: www.artenvielfalt-niedersachsen.jetzt
- zum Niedersächsischen Weg: www.artenretter-niedersachsen.de
Vergleich der Forderungen des Volksbegehrens zu den Verhandlungsergebnissen des Niedersächsischen Weges:
„Zeit zu handeln“ – unter diesem Motto haben die Initiatorinnen und Initiatoren am 02. März auf einer Pressekonferenz in Hannover das für Niedersachsen geplante Volksbegehren „Artenvielfalt.Jetzt!“ vorgestellt. Zum Initiatorenkreis gehören Klaus Ahrens vom Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund, Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen und Dr. Nick Büscher, stellvertretender Vorsitzender im NABU-Vorstand sowie Hanso Janßen und Anne Kura, Landesvorsitzende der niedersächsischen GRÜNEN. Für das Jugendbündnis zum Volksbegehren war Magdalena Schumacher, Landesjugendsprecherin der NAJU dabei.
„Das Artensterben ist eines der größten Probleme unserer Zeit“, so Dr. Holger Buschmann. „Von den dramatisch einbrechenden Insektenbeständen sind ganze Nahrungsketten betroffen. Jeder Singvogel braucht zumindest bei der Aufzucht der Jungen Insekten. Weil es die nicht mehr ausreichend gibt, gehen inzwischen sogar weit verbreitete Allerweltsarten wie die Stare massiv zurück. Vor allem bei den typischen Arten der Kulturlandschaft sieht es schlecht aus: Fledermäuse, Vögel, Blütenpflanzen – alle Artengruppen sind betroffen. Wir haben zwar auch Erfolge im Naturschutz, aber fast nur bei den Arten, die früher unter direkter Verfolgung gelitten haben, wie Uhu oder Biber. Bei den meisten Arten ist der Verlust ihres Lebensraumes das Problem. Das ist dramatisch – mit fatalen Auswirkungen auf ganze Ökosysteme und damit für das Überleben des Menschen! Hier gilt es, endlich gegenzusteuern, wir müssen jetzt reagieren.“
„Bedrohte Tier- und Pflanzenarten lassen sich nur mit besseren Rahmenbedingungen schützen, mit einem besseren Naturschutzgesetz und Änderungen im Wasser- und Waldgesetz. Die Landesregierung hat hierzu immer noch nichts Substanzielles vorgelegt. Deshalb bringen wir – das sind rund 70 Bündnispartner – ein Volksbegehren für die Rettung der Artenvielfalt in Niedersachsen auf den Weg“, sagt Anne Kura. „Immer mehr Menschen fordern wirksame Maßnahmen für Artenvielfalt, Natur- und Klimaschutz. Überall in Niedersachsen haben sich lokale Aktionsbündnisse gegründet, die das Volksbegehren unterstützen, und es schließen sich immer mehr Bündnispartner an.“
Imker Klaus Ahrens sagt: „Unsere Bienenvölker sind in Gefahr. Blütenpollen, die nicht nur für Honigbienen, sondern auch für Wildbienen und Hummeln lebensnotwendig sind – als Futter für ihre Brut – sind immer häufiger regelrechte Chemie-Cocktails. Das zeigen zahlreiche Untersuchungen. Ohne Bienenvölker funktioniert aber weder die Landwirtschaft noch der Obstanbau. Trotzdem äußern sich Politik und Landwirtschaft, als wäre alles noch verhandelbar. Aber die Natur verhandelt nicht! Deshalb brauchen wir das Volksbegehren." Bienen, Schmetterlinge, duftende Blumenwiesen und blühende Bäume sind nicht nur schön anzusehen – Artenvielfalt und intakte Ökosysteme sind die Grundlage unseres Lebens. Sie sorgen für sauberes Wasser, gesunde Ernährung und viele Rohstoffe, die wir zum Wirtschaften brauchen. „Auch unseren Kindern und Enkeln wollen wir eine vielfältige Umwelt hinterlassen, in der sie den ganzen natürlichen Reichtum an Pflanzen und Tieren, an Schmetterlingen, Libellen und Wildbienen, an Fröschen, Fischen und Vögeln erleben können“, sagte Hanso Janßen.
„Deshalb gilt es, die für die Artenvielfalt so wichtigen Strukturen in der Landschaft wie Hecken, Wegränder und Feldraine zu schützen. Naturschutzgebiete wollen wir von Pestiziden freihalten, Gewässerränder sollen nicht gedüngt und gespritzt werden, um auch hier die Artenvielfalt zu erhöhen und die Gewässer zu schützen. Für die damit verbundenen Ertragseinbußen der Landwirte sind gesetzliche Ausgleichszahlungen vorgesehen“, erklärte Hanso Janßen. Darüber hinaus müsse die Agrarpolitik umgebaut und deutliche Anreize für nachhaltiges Wirtschaften gesetzt werden. Im Zuge des Volksbegehrens Artenvielfalt hat sich auch ein Bündnis von Jugendverbänden gegründet, das die Kampagne unterstützt und eigenständig für sie mobilisiert.
Die Mitglieder des Jugendbündnisses sind BUNDjugend Niedersachsen, Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung, FridaysforFuture Niedersachsen, Grüne Jugend Niedersachsen, Junges Bioland Niedersachsen, Linksjugend ['solid] Niedersachen, Naturfreundejugend Niedersachsen und NAJU Niedersachsen. Magdalena Schumacher für das Jugendbündnis des Volksbegehrens sagte: „Die derzeitige Agrarpolitik ignoriert den Wert von Natur. Dies trägt erheblich zu einem globalen Artensterben ungeheuren Ausmaßes bei. Wir fordern ein Gesetz für Niedersachsen, das biologische Vielfalt wirksam schützt, Ökosysteme für nachfolgende Generationen erhält und nachhaltige Landwirtschaft fördert. Konsequenter Natur- und Artenschutz ist zugleich ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz. Nur so ist eine lebenswerte Zukunft möglich: There is no future on a dead planet!"